St. Pantaleon Lüttingen

Grabstätte und Klosterkapelle - heute ein wahres Kleinod
Eine Chronik der Lüttinger Kirche St. Pantaleon

Eher unscheinbar aber in schlichter Schönheit steht sie da - die viele Jahrhunderte alte einschiffige Kirche mitten im Fischerdorf. Sie war von Beginn an dem heiligen Pantaleon geweiht. Erzbischof Bruno von Köln vermachte nämlich im Jahre 965 seine Hofsiedlung von Lüttingen (Lidron) der Benediktinerabtei St. Pantaleon zu Köln. Das Gut wurde zunächst von den Mönchen selbst bewirtschaftet, die hier nun eine Kapelle errichteten. Aus dieser Kapelle 'wuchs' schließlich die heutige Lüttinger Kirche. Das genaue Alter der Kirche ist unbekannt. Das jetzige Mittelschiff, das den Chor an Höhe weit überragt, wurde um das Jahr 1473 gebaut. Mit dem Bau des Kirchenschiffes hat der alte Chor seine heutige gotische Gestalt bekommen.

Der Chor der Kirche ist der älteste Teil des Gotteshauses, bei dem man nach Ansicht von Experten immer wieder auf den ältesten Fundamenten aufgebaut hat. Diese Einschätzung bestätigte sich bei den letzten umfangreichen Sanierungsarbeiten im Jahre 1981: Bei drei Meter tiefen Grabungen wurden fünf übereinander liegende Fußböden freigelegt - und ein rund tausend Jahre altes Fundament! Eine Grabstätte, ebenfalls um die die Zeit 1000 n. Chr. datiert, belegt zudem die Existenz einer Klosterkapelle und die Entstehung der Ansiedlung Lidrons (Lüttingen) um das Jahr 965.

Außen im Ostgiebel des Kirchenschiffes sichtbares Holzfachwerk deutet darauf hin, dass beabsichtigt war, das Chorgebäude später auch hoch zu ziehen. Diese Vermutung dokumentierte auch der Lüttinger Lokalhistoriker und Pfarrer Franz Bens (1906 - 1936), der in diesem Zusammenhang noch auf an den Längswänden angebrachte Verzahnungen hinwies, die erst im 19. Jahrhundert entfernt wurden. Warum der Bau eines größeren Chores dann unterblieb, bleibt ein Geheimnis. Die nun daraus resultierende hohe Stirnwand wurde im Jahre 1922 mit einem Fresko-Bild der 14 Nothelfer „geschmückt", zu denen auch der heilige Arzt Pantaleon gehört. Die dem unbekannten Künstler für die damalige Dorfbevölkerung zu moderne eigene „Handschrift" fand bei den Gläubigen keine Gegenliebe. Vor allem das feingliedrig-modern gehaltene Antlitz der Heiligen stieß auf Ablehnung und mündete in sarkastischen Spott: „Brotkartegesechter" (in Anlehnung an die Ausgabe von Brotkarten in Notzeiten) war eine von mehreren abfälligen Bewertungen. In der letzten Konsequenz wurden die 14 Nothelfer bei der nächsten Kirchenausmalung schlichtweg überpinselt! Der inzwischen verstorbene Malermeister Wilhelm Ziegler aus Xanten legte die 14- Nothelfer-Darstellung neben anderen noch älteren Fresken im Jahre 1983 dankenswerter Weise wieder frei.

Im Gegensatz zu Chor und Kirchenschiff aus offensichtlich sehr dauerhaften Ziegelsteinen musste der viergeschossige Turm schon vor einigen Jahrhunderten saniert werden. Es darf wohl vermutet werden, dass der für ihn verbaute Tuffstein aus der Colonia Ulpia Traiana legal erworben wurde. Leider hat das gotische Bauwerk mit seinen hohen Gewölben außen etwas sein 'Gesicht' verloren. In den letzten Kriegstagen wurde der schlanke Turmhelm abgesprengt und nach Kriegsende zunächst mit einem Stummeldach versehen. Dabei blieb es dann leider. Da nur eine kleine Glocke den Krieg überdauerte, sparte man sich zusätzlich wieder drei weitere zu einem wohl klingenden Geläut zusammen.

Welches Schnäppchen Lüttingen mit der für ganze 100 Taler aus Keppeln preiswert erworbenen 1750 in Schleifladensystem gebauten Orgel gemacht hatte, wurde erst bei der Sanierung und Erweiterung 1958 offenkundig. Ihr Klangvolumen ist optimal auf die kleine Kirche mit ihren 24 sehr unbequemen 'Algemene Banken' abgestimmt. Nach dem 'Engel der Verkündigung' bedürften auch die kostbaren Statuen der heiligen Elisabeth von Thüringen, der heiligen Barbara und des heiligen Cornelius (Gemeindezentrum) aus dem 16. bis 18. Jhdt. wie auch des heiligen Pantaleon (Kirche) dringend einer dauerhaften Konservierung.

Text: +Theo Rodermond

 

 

 

Engel der Verkündigung - „Lüttinger Engel

'Der Engel des Herrn brachte Maria die frohe Botschaft', beten wir im Angelus. In der heiligen Schrift bei Lukas überbringt der Engel des Herrn der Jungfrau Maria diese Nachricht wie folgt: „…Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären und du sollst ihm den Namen Jesus geben..."

Mit der Darstellung eines „Engel der Verkündigung" (Lüttinger Engel) aber birgt die Kirche St. Pantaleon einen ganz besonderen Schatz.

Die naturfarben belassene dunkle Eichenholzstatue wurde von einem unbekannten Meister um das Jahr 1500 geschaffen und ist in ihrer Schönheit einzigartig. Der Verkündigungsengel zierte im Jahre 1965 die Titelseite des 'Heimatkalender Kreis Moers' und der Lüttinger Festschrift zu der eben in diesem Jahr mit einem riesigen Festzug begangenen Tausendjahrfeier im Fischerdorf. Die Spannweite der ausgebreiteten Flügel an der 75 Zentimeter hohen Statue beträgt 70 Zentimeter. Besonders beeindruckend ist die geradezu filigrane Erhabenheit dieser ausdrucksvollen Schöpfung. Die bei auch leicht eingeknickten Knien etwas vorgebeugte Körperhaltung vermittelt dem Betrachter einen Geist der Demut. Auch der einem hübschen Gesicht entspringende verklärte Blick auf die an den Fingerspitzen zum Gebet zusammen geführten Hände bezeugt den Ausdruck tiefer Frömmigkeit. Nicht nur diese von sprichwörtlicher Anmut geprägte Aussagekraft lassen Feingeist und die meisterlichen Hände des Künstlers erahnen - ja, greifbar werden. Einzelne Details müssen den Meister lange an seine Arbeit gefesselt haben. Allein die feingliedrige Nachbildung der bis in den Nackenbereich wallenden lockigen Haarpracht nötigt ehrfürchtige Bewunderung ab - solche Feinheit in harter deutscher Eiche!

Den außerordentlichen künstlerischen Wert des „Engels der Verkündigung" muss auch Pfarrer Franz Quinders während des zweiten Weltkrieges schon erkannt haben. Um den Engel relativ wertlos erscheinen zu lassen und ihn so vor potenziellen Dieben zu schützen, griff Pastor Quinders zu einer einfachen Methode: Er ließ den Egel weißen! Noch lange nachher behielt der seine 'Himmelsfarbe'. Wieder in seine ursprüngliche natürliche Schönheit versetzt, wurde er dann - oh Schreck - in den siebziger Jahren über Nacht entwendet und blieb einige Zeit verschwunden. Trauer machte sich breit. Aber - der reuige Sünder legte den Lüttinger Engel schließlich in einem alten Koffer vor der bischöflichen Wohnung des unvergesslichen Ruhrbischofs Franz Hengsbach in Essen ab. Seither ist er wieder 'zu Hause' und kennzeichnete auch lange Jahre als Titelfigur den Pfarrbrief von St. Pantaleon Lüttingen.

Text: +Theo Rodermond